Fleischskandal? Nein. Logische Konsequenz.
Der Fleischskandal rund um nicht deklariertes Pferdefleisch will einfach keine Ruhe geben. Tagtäglich tauchen neue Meldungen auf, worin überall Reste und Spuren von nicht auf dem Etikett befindlichen Fleischarten gefunden wurden. Dass diese Entwicklung eine völlig logische Konsequenz aus dem grassierenden Geiz ist geil-Konsumverhalten ist, wird selten erwähnt. Zeit wird’s, der Realität ins Auge zu sehen.
Wie ich bereits kürzlich in einem Posting geschrieben habe, ist der derzeit so medienwirksame Fleischskandal nichts anderes, als ein unmissverständliches Zeichen dafür, dass sowohl die Politik, als auch „die Märkte“, als auch die Gesamtheit der Konsumenten eine Situation herbeigeführt haben, in der Anstand und seriöse Geschäftsgebahrung kaum mehr Platz haben und diejenigen, die sich solcherlei Werte an die Fahnen geheftet haben, meist nur noch in Nischen ihr Dasein fristen.
Selbst bei wohlwollender Betrachtung ist nur noch mit größten Kontorsionskünsten davon zu sprechen, dass der völlig von Nachhaltigkeit und Ethik losgelöste (Nahrungsmittel-)Handel – ebenso wie die überwiegende Mehrheit aller anderen Branchen – irgendetwas wesentlich erleichtert oder verbessert hätten. Ja, die Preise sind gesunken. Das war’s dann aber auch schon wieder…
Dies ist nun wirklich keine sonderlich epochale Erkenntnis und ist in immer weiteren Kreisen von Menschen durchaus bereits angekommen. Ebenso wenig ist es als Expertenwissen zu betrachten, dass sich die Sachlage bis auf Weiteres nicht ändern wird können. Nicht, solange die aktuelle Wirtschaftsform den Status einer Religion einnimmt, die jedoch nicht nur von immer weniger werdenden Phantasten praktiziert wird, sondern vielmehr von einer erdrückend dominanten Mehrheit. Wer den Kapitalismus als solchen in der aktuell herrschenden Form Frage stellt, und sei es nur in Ansätzen, Teilbereichen und noch so gut durchdacht bzw. argumentiert, wird kurzerhand als weltfremd, naiv und – besonders perfide – als Staatsfeind und Kommunist gebrandmarkt. Neben diesen Extremen scheint es auch gar keinen Raum für Alternativen, Mischformen oder Mittelwege zu geben.
Daher bleibt: Eine kleine Gruppe von Menschen wird mit höherwertigen und höherpreisigen Produkten Zeichen zu setzen versuchen und eine sehr viel größere Gruppe wird sich auch weiterhin nicht leisten können, beim Fleischkauf auf Gütesiegel oder Herkunft zu schauen.
Zurück zum Thema…
Natürlich könnte man an dieser Stelle einwerfen, dass es ohnehin völlig absurd ist, jeden Tag Fleisch zu essen. Weder aus ernährungswissenschaftlicher, noch aus ökologischer, noch aus ökonomischer Sicht ist der Begriff „sinnvoll“ (oder Synonyme) für den täglichen Fleischkonsum auch nur annähernd korrekt. Eher im Gegenteil:
Für den menschlichen Körper werden aus medizinischer Sicht – je nach Quelle – etwa 300-600g Fleisch pro Woche als gut vertretbar betrachtet. Diese Menge sollte sich jedoch aus Geflügel, Schwein und Rind zusammen setzen und möglichst wenig Wurst aufweisen. Hin und wieder eine Bratwurst oder Extrawurstsemmel gehen sich leicht aus, ein Übermaß sollte vermieden werden.
Im krassen Gegensatz dazu ist es regelrecht Volkssport in unseren Breiten, spätestens bei den ersten Frühlingssonnenstrahlen den Griller anzuwerfen und drastische Überkapazitäten von Proteinbomben über glühende Kohlen zu werfen. Bleibt der Griller einmal ungenutzt, wird das Fleisch eben in der Pfanne oder Friteuse zum Verzehr hergerichtet.
Statistisch gesehen wandern in Österreich pro Kopf und Jahr etwa 60-65kg Fleisch in die gierigen Mäuler, davon etwas weniger als ein Drittel vom Schwein (Quelle u.a.: AMA). Daraus errechnet sich ein durchschnittlicher täglicher(!) Fleischkonsum von rund 180g, also beinahe doppelt so viel wie von Medizinern empfohlen. Hierbei sind Vegetarier und andere Nicht-Carnivore noch gar nicht eingerechnet.
Vom Luxusgut zum Problemstoff
Diese Daten zeigen auf, wie unvernünftig die Konsumenten sind, wenn es darum geht, ihren hart erkämpften Wohlstand zu genießen. Fleisch war bis vor wenigen Jahrzehnten ein Luxusnahrungsmittel, das in durchschnittlichen Haushalten gerade einmal wöchentlich („Sonntagsbraten“) auf den Teller kam. Ein paar Blätter Wurst zwischendurch waren schon auch noch drin, aber damit hatte es sich in aller Regel.
Heute bekommt man an allen Ecken Kebap um 2,50€, Schnitzel um 3€ und einen dicken Burger um 3,50. Beim Diskonter ist 1 Kilogramm Fleisch für deutlich unter 10€ zu haben, was wiederum einem Preis je Portion von rund 2-2,50€ entspricht.
Um diese Preise halten zu können, wird in der gesamten Produktionskette gespart bis der Arzt kommt. Der Agrarökonom bekommt vom Schlachtbetrieb meist weniger, als die Aufzucht und Mast des Tieres über dessen ganzen Lebenszyklus kostet. Umweltfolgekosten durch den enormen Wasserverbrauch und die Treibhausgasproduktion nicht einmal eingerechnet. Die weitere Verarbeitung wird dann ebenfalls unter billigsten Bedingungen erledigt, was sich nicht nur auf miese Löhne und mangelhafte Hygienestandards auswirkt, sondern eben auch auf die saubere Einhaltung der Sortenreinheit.
Fazit
Wer sich also über den Fleischskandal echauffiert, beklagt sich auch über die Gier des Low Cost Carriers, wenn er von diesem demnächst auch für sein Handgepäck zur Kasse gebeten wird.
Wer stets nur das billigste Fleisch kauft, darf sich nicht wundern, wenn er auch das billigste Fleisch bekommt. Wenn dieses zum gegebenen Zeitpunkt halt nicht das am Etikett ausgewiesene Rind-, sondern eben das Pferdefleisch ist, dann wird im Rind auch Pferd drin sein. Und wenn es nur daran liegt, dass für die Qualitätskontrolle zu wenig Geld da ist, dann wird eben nicht mehr so genau geschaut, was der Schlachthof da so herankarrt.
Und wer kiloweise Fleisch in sich hineinschaufelt, kann ohnehin getrost davon ausgehen, dass es völlig unerheblich ist, ob er dabei vom Rind, vom Schwein, vom Hund, vom Pferd oder vom Frettchen sein Übergewicht, seinen Darmkrebs, seine Gicht und was weiß ich noch alles bekommt.
Schlicht und ergreifend.
Zu guter Letzt
Der großartige deutsche Kabarettist Hagen Rether fasst viele meiner Gedanken auf seine gewohnt schonungslose wie pointierte Weise zusammen. Auch wenn ich nicht in jedem Detail mit ihm übereinstimme eine klare Empfehlung:
Alternativen hier oder hier bei YouTube.
Viel Spaß und natürlich – Mahlzeit! 😉
Disclaimer: Der Autor isst sehr gerne Fleisch (klar bevorzugt Geflügel) und erreicht durchschnittlich die Hälfte bis zwei Drittel der empfohlenen „Wochenration“.