Hot: Google Glass. Und jetzt?
Bereits vor Monaten ging eine Preview von Googles neuestem Gadget durch die diversen Social Media Timelines: Eine mit Spracheingabe und allerhand anderen Goodies aufgemotzte Art Augmented Reality-Brille, die neben den Grundfunktionen von Google (Maps, Search, etc.) noch allerhand anderer Funktionen enthalten sollte. In den USA (und leider vorerst nur dort) werden bereits Beta Tester angeheuert, die das Teil genauer unter die Lupe nehmen dürfen bzw. sollen.
Anhand der veröffentlichten und zugegebenermaßen beeindruckenden Teaser-Videos (beispielsweise hier) lässt sich erahnen, welche Möglichkeiten bereits heute in der bis vor kurzem noch eher futuristisch anmutenden Technologie stecken. Ich persönliche freue mich jedenfalls schon drauf, ein solches Ding in einer hoffentlich nicht allzu fernen Zukunft nutzen zu können.
Dennoch eröffnen sich – wie fast immer, wenn neue Technologien das Licht des Mainstreams erblicken – zahlreiche Fragen, die einer Antwort bedürfen.
Brillen-Knigge? Glassiquette?
Bemerkenswert finde ich etwa, dass ich bisher in keinem der Kommentare zum aktuellen Nerd-Thema Numero Uno herauslesen konnte, dass sich in Punkto Privacy gewisse Grauzonen herausbilden. Oft geht ja die technikorientierte Begeisterung mit den Security- und Datenschutzbedenken im Gleichschritt. Nicht so bei Google Glass, habe ich den Eindruck.
Ein Einsatz der Videofunktion beispielsweise könnte immerhin in so mancher Situation spannende Folgen haben. Diese müssen keineswegs phantasievoll herbeifabuliert werden, sondern betreffen bereits so banale Dinge wie Straßenbahnfahrten und private Dates.
Sollte diese Brille (oder ein vergleichbares Produkt) zu einem vertretbaren Kostenpunkt am Markt erhältlich sein, und davon können wir ausgehen, so wird sie rasch eine entsprechende Verbreitung finden. Ab diesem Zeitpunkt ist man jederzeit und jederorts potenziell Hauptdarsteller eines Privatvideos, das zudem theoretisch in Sekundenschnelle im Web auftauchen kann, so man – irrtümlich oder vorsätzlich – die implementierten Sharing- oder Streaming-Funktionen nutzt. Selbstverständlich ist dies seit einigen Jahren mit nahezu jedem Handy möglich, aber an Unauffälligkeit und Flexibilität ist ein solches Gadget wohl schwer zu überbieten.
Werden sich demzufolge ungeschriebene Gesetze aus den Möglichkeiten ableiten? Etwa das Brilleabsetzen als Pendant zum Sockenausziehen bei intimen Begegnungen oder eine Erweiterung zum „Um Antwort wird gebeten“ bei Einladungen mit dem Beisatz „AR Brillen kein Problem“?Man wird es einerseits sehen, andererseits ist es vermutlich unumgänglich, nicht nur auf rein juristischer Ebene Regelungen zu finden. Nachdem die Legislative in derlei Dingen bekanntlich – wohlwollend formuliert – träge reagiert, werden sich auf zwischenmenschlicher Basis hingegen rasch entsprechende „Verhaltensregeln“ etablieren müssen.
Safety und Security
Hinsichtlich Sicherheit, etwa im Straßenverkehr oder bei sportlichen Aktivitäten in größeren Gruppen, wird es ebenfalls spannend, wie sehr der ungeübte Mensch mit einer solchen visuellen Ablenkung umgeht. Ich nehme an, dass die meisten Menschen, die keine Militär- oder Formel 1-Pilotenausbildung hinter sich haben, Schwierigkeiten damit haben werden, wenn urplötzlich in einem Auge ein Videochat aufpoppt, während man sich gerade vom Navi den Weg zum Restaurant zeigen lässt, wo bereits jemand wartet, mit dem man parallel dazu telefoniert.
Aus juristischer Sicht wäre dies zwar ohnehin bereits jetzt unzulässig (lt. StVO darf man ja bekanntlich während des Lenkens eines Fahrzeugs keine Tätigkeiten ausüben, die die Konzentration auf den Straßenverkehr beeinträchtigen können), aber die Verlockung ist sicherlich enorm. Ebenso die fälschliche Annahme, man könne das schon alles irgendwie unter einen Hut bringen. Die meisten Menschen können bekanntlich nicht einmal realistisch einschätzen, welche Verzögerung der Reaktionszeit beim Telefonieren entstehen kann.Can’t wait
Ich lass mir durch diese Fragen jedoch nicht meine Vorfreude nehmen. Für mich selbst sind die obigen Fragen eigentlich allesamt weitestgehend beantwortet. So werde ich eine solche Brille, sobald sie dereinst bei mir ankommt, voraussichtlich intensiv nutzen. Ich werde mich navigieren lassen, werde fotografieren, werde filmen und werde mich mittels Videos unterhalten lassen, wenn sich die Gelegenheit ergibt. Ich werde unterwegs Informationen erfragen, wenn ich sie gerne haben möchte und werde über dieses Device kommunizieren, wenn das möglich ist. Ich werde sie in zwischenmenschlich-intimen Momenten zur Seite legen und beim Autofahren wird alles deaktiviert, was über Navigation und (akustische) Telefonie hinausgeht.
Was fällt hierbei auf? Es gibt für den Moment de facto keinen Unterschied zum bereits bestens etablierten Smartphone, das bis dahin alle genannten Funktionen erfüllt. Es wird zwar Vieles ein wenig handlicher, Manches angenehmer, aber im Grunde wird es meines Erachtens abseits des Komfortgewinns keinen wesentlichen Unterschied geben.
Apple? Microsoft? Anybody…?
Ein wenig amüsiert mich ja auch bei der ganzen Sache, dass man Apple zur Zeit eher zutraut, ein Smartphone in Form einer Armbanduhr zu präsentieren als ein vergleichbares Gadget. Gegen eine Smartphone-Brille mit Augmented Reality wirkt ein iPhone mit verkleinertem Display am Handgelenk ja beinahe wie ein Schritt zurück als nach vor. Nun, es gibt das eine oder andere Gerücht, dass Apple auch nicht gerade schläft, was ein etwaiges „eyePhone“ betrifft, aber dahingehend wird noch eher verhalten spekuliert.
Von Microsoft, Samsung, Nokia oder anderen Marktbegleitern hätte ich bis dato noch überhaupt nichts zu dem Thema gehört. Zugegeben, es ist nicht unbedingt ein marktrelevanter Indikator, ob ich etwas mitbekomme oder nicht, aber ich bin zuversichtlich, dass ich von Gadgets, die ähnlich knapp vor der Serienreife stehen wie Google Glass, zumindest mal gehört hätte.
Naja, mal schauen, wer da noch mit unerwarteten Meldungen kommt und wer dann schlussendlich das Rennen macht.
What’s next?
Und die nächste Frage folgt natürlich umgehend: Was kommt als nächstes? Das Smartphone hat uns ja bereits den omnipräsenten Zugang zum Internet beschert – in beide Richtungen. Ich weiß jederzeit und überall alles (zumindest alles, was sich in sinnvoller Zeit ergoogeln lässt) und ich kann alles teilen, was ich gerade so erlebe. Ob nun privat mit einzelnen Personen oder auch per Social Media – quasi – mit der ganzen Welt.
Der nächste Schritt ist vornehmlich einer in Richtung Handlichkeit und Komfort. Der technologische Sprung vom Handy ohne Internetanschluss zum Smartphone mit de facto-Standleitung war sicherlich wesentlich größer als der vom Smartphone in der Hand zum Smartphone vor den Augen.
Meine Phantasie ist ja vergleichsweise groß, aber was der nächste logische Schritt sein könnte, erschließt sich mir noch eher nebulös. Ich habe so meine Ideen, aber davon ist keine so marktreif wie Google Glass.
Any hints?
Meine Gedanken zum Thema #Glassiquette http://www.wewearsmartwear.de/2013/05/glassiquette-vs-glasshole-blog-parade-fur-den-google-glass-knigge/