Sonntags bleibt nur der Anachronismus geöffnet
Sie ist wieder da, die periodisch wiederkehrende Diskussion rund um die Sonntagsöffnung der Geschäfte. Der Einzelhandel will zwar irgendwie schon aufsperren, weiß aber nicht so recht, ob ihm das auch tatsächlich was bringt. Die Konsumenten schweben ambivalent zwischen „praktisch wär’s ja“, „muss irgendwie nicht sein“ und „Pfuidadeibl, ein Sakrileg!“. Irgendwo dazwischen mischt sich dann – eh klar – auch noch die Kirche ein. Was bleibt? Eine weiterhin offene Frage und schlußendlich viel Lärm um nichts.
Ich bin gar nicht sicher, wer heuer den Stein der Diskussion ins Rollen gebracht hat. Fest steht, dass wieder sommerlich beschwingt darüber diskutiert wird, ob ein Kaufmann sein Geschäft auch am scheinbar sakrosankten Sonntag für Kunden offen halten darf oder nicht.Die zur Zeit geltende Rechtslage (Öffnungszeitengesetz 2003, novelliert 2008) schreibt vor, dass „Verkaufsstellen“ (gem. Definition in der Gewerbeordnung) innerhalb einer Kalenderwoche die Gesamtoffenhaltezeit im Ausmaß von 72 Stunden nicht überschreiten dürfen, verteilt auf Montag bis Samstag mit jeweiligen Angaben der frühesten Öffnungs- und spätesten Schließzeit. Explizit verboten ist, am Sonntag die Kunden zu beglücken. Ausnahmegenehmigungen zu erteilen – wie könnte es auch anders sein (an dieser Stelle bitte ein gequältes Seufzen hinzudenken) – obliegt gem. §4a (1) dem jeweiligen Landeshäuptling, etwa für Bäckereibetriebe, Shops in schwerpunktmäßigen Tourismusgebieten, an für Pendler relevante Verkehrsstellen (zB. Bahnhöfe) oder zu so genannten „Einkaufsevents“.
Aus sachlicher Betrachtungsweise heraus sind diese mehr oder weniger strikten Regelungen natürlich vornehmlich kulturelles Erbgut und eine aus kirchlicher Tradition mitgeschleifte Gegebenheit, sie sollen heute aber auch nicht zuletzt einem geordneten Wettbewerb dienen. Es soll mitunter verhindert werden, dass ein Kapitalstarker und personell gut aufgestellter Konzern kleineren Mitbewerbern das Geschäft ruiniert, weil er sich im Gegensatz zum Kleinunternehmer leisten kann, auch am Sonntag sein Personal (bei höherem Lohn) in die Läden zu stellen. Ich persönlich habe an der These, dass aufgrund der Sonntgsöffnung die kleinen Kaufleute stürben, so meine Zweifel, alleine schon deshalb, weil es den sprichwörtlichen „Greissler“ de facto bereits seit Jahren nur noch in Geschichtsbüchern gibt. Und wer abseits der größeren Ketten im Einzelhandel bis heute überlebt hat, der hat vermutlich auch mit der Sonn- und Feiertagsöffnung kein Problem.
Ruhe? Am Sonntag??
Der Sonntag als „Tag der Ruhe“, wo sich die Menschen besinnen und Zeit für die Familie nehmen sollen, ist auch ein stetig wiederkehrendes Argument. Fände ich gut! Allein mir fehlt der Glaube, wenn ich mir dann ansehe, was am Sonntag in vielen Haushalten so am Programm steht. Bei den einen ist es stundenlanges Formel 1- oder Fussball-Glotzen, bei anderen der Kirtags-/Feuerwehrfestbesuch, bei Einzelnen auch gerne mal Ausschlafen mit Kinderauslagerung zu den Großeltern. Nicht zu vergessen die über die hektischen Werktage angesammelten Haushaltsarbeiten, Gartentätigkeiten, Heimwerkereien und vieles mehr. Von einem Tag der Einkehr und Ruhe ist somit meist keine Rede.
Selbstverständlich räume ich gerne ein, dass es sichtlich Bedarf gibt, die Menschen ein wenig zur Ruhe zu „zwingen“, wenn sie für ihre 50h-Woche ausgeruht sein sollen, um der Volkswirtschaft auch mit ganzer Kraft dienlich zu sein. Diese verordnete Auszeit als „Arbeitnehmerschutz“ zu bezeichnen grenzt allerdings an Hohn, ganz abgesehen davon, dass ohnehin jeder vierte Arbeitnehmer in Österreich bereits heute an Sonntagen aktiv ist (Gastronomie, Gesundheitswesen, öffentlicher Verkehr, etc.). In den meisten Dienstverhältnissen wird der Sonntag zwar durchaus entsprechend höher vergütet und mit „Ersatzruhe“ ausgeglichen, ist aber ansonsten ein normaler Arbeitstag.
Fragen über Fragen
Die Frage ist und bleibt, wieso es unbedingt der Sonntag sein muss, an denen man ruht und sich „von der Arbeit erholt“. Wieso muss die Welt an einem bestimmten Tag stillstehen? Wieso darf ich am Sonntag nicht in den Supermarkt gehen, wenn sich überraschender Besuch ankündigt? Wieso muss ich begonnene Raparaturen im Haus abbrechen, weil ich mir keine passenden Materialien kaufen kann, die ich nicht im Vorfeld einkalkulieren konnte? Und – ohne mich des Neids verdächtig machen zu wollen – wieso dürfen das Menschen in „touristischen Zentren“ hingegen sehr wohl?
Klar: Niemand MUSS am Sonntag Lebensmittel einkaufen, niemand MUSS am Sonntag Möbel shoppen und niemand MUSS am Sonntag in den Baumarkt, aber dass man all das auf gar keinen Fall KANN, finde ich eigentlich ein wenig schade. Ich persönlich brauche tatsächlich keine 24/7/365 geöffneten Konsumtempel oder Einkaufsstraßen. Ich stelle mir allerdings dennoch die Frage, ob ich bei entsprechendem Angebot nicht auch so manches Mal meine Besorgungen – und seien es nur Kleinigkeiten – an einem Sonntag erledigen würde, sollte dies meinen Planungen entgegenkommen.
Letzte Randnotiz, weil ich den Gedanken ganz originell finde: Bei angedachten Rauchverboten (etwa in der Gastronomie) erhebt sich stets der Volkszorn wegen der Regulierungswut – die strikt limitierten Ladenöffnungszeiten sind erstaunlicherweise im Gegensatz dazu völlig in Ordnung… Pardauz!