Bundespräsidentenwahl – Sinn und Unsinn
Quod erat expectandum: Die Vorwahlzeit zum Urnengang für den Österreichischen Bundespräsidenten ist eine schwierige. Obwohl bekanntlich völlig außer Frage steht, dass der amtierende Heinz Fischer nach dem 25. April als klarer Wahlsieger seine zweite Amtsperiode antreten wird, fliegen die Fetzen wie schon lange nicht mehr im Zuge einer Wahl zum Staatsoberhaupt. Zudem führt mit Barbara Rosenkranz eine Gegenkandidatin einen sündteuren Wahlkampf, deren Aussicht auf einen Sieg nur unwesentlich größer ist als der des Dritten im Bunde, des Kampfkatholiban Rudolf Gehrings. Aber wozu, frage ich mich.
Es ist eine sonderbare Situation: Seit Wochen läuft ein aufsehenerregender Wahlkampf für einen Urnengang, der längst klar entschieden ist. Trotzdem werden die beiden Parteien, die einen Kandidaten stellen bzw. unterstützen, zusammen mehr als 2,5 Millionen Euro dafür ausgeben. Die FPÖ zahlt aus der Kriegskassa rund 1,5 bis 1,6 Millionen, die SPÖ etwa eine Million. Eine weitere soll lt. Wahlkampfleiter Stefan Bachleitner aus Spenden von außerhalb des Parteibudgets lukriert werden. Mit diesem Geld werden vornehmlich Plakatkampagnen finanziert, die vergleichsweise harmlos anmuten. Als zentraler Begriff fungieren sowohl bei Fischer als auch bei Rosenkranz die „Werte“.
Abseits der artigen Plakate wird allerdings deutlich weniger staatstragend mit dem jeweiligen Gegenüber umgegangen. B. Rosenkranz bietet ohnehin sozusagen seit jeher ausreichend Angriffsfläche, bei H. Fischer müssen die FPÖ-Funktionäre (allen voran der unsägliche Wahlkampfstratege und Brachialpoet Herbert Kickl) schon ein wenig tiefer in die Trickkiste greifen – und ebenso tief sind die Schubladen, die daraus resultieren.
Einer der wesentlichen Gründe für diese besondere „Eskalation“ ist der Versuch, das enorme Polarisierungspotenzial der Barbara Rosenkranz auszuschlachten. Sie steht zweifelsfrei für den rechten äußeren Flügel der ohnehin bereits bedenklich im Nationalismus rudernden FPÖ und macht trotz halbherziger, aber medienwirksamer Bekenntnisse des Gegenteils (inklusive notariell beglaubigter eidesstattlicher Erklärung ihrer „Distanzierung zum Nationalsozoialismus“) unterm Strich kaum einen Hehl aus ihrer rechtsextremen Geisteshaltung (siehe Bonmotsammlung). Dennoch ist der Grundtenor der blauen PR-Maschinerie – wie nahezu immer – der lautstarke Schwenk in die Opferrolle. Schließlich stelle man ja diese arme unbescholtene Frau völlig ungerechtfertigt in ein rechtes Eck, schlage illegitim mit der Nazi-Keule auf sie ein (obwohl man sie bekanntermaßen gerichtlich abgesegnet als „Kellernazi“ bezeichnen darf!) und sowieso haben sich wieder einmal alle linkslinken Gutmedienmenschen dieses Landes auf ein Packl gehauen, um die untadelige und unbescholtene „(Über)Mutter der Nation“ böswillig zu diffamieren.
Heinz Fischer – trotz ruhender Mitgliedschaften und Parteifunktionen Kandidat der Sozialdemokraten – wiederum wird von den Rechten – inklusive SPÖ-Regierungspartner ÖVP – als Linksextremer zu positionieren versucht und so manch namhafter Vertreter der christlich(!)sozialen(!) Volks(!)partei behauptet gar allen Ernstes, Äquidistanz zu Rosenkranz und Fischer zu halten, während man selbst maximal moderat rechts der Mitte stehe. Unter anderem wird dies dadurch begründet, dass er gleichgeschlechtliche Partnerschaften nicht als verdammenswertes Teufelszeug betrachtet, Frauen perverserweise ähnliche Privilegien wie Männern zugesteht und dass er subversiv mit Schurkenstaaten wie Nordkorea, China oder dem ehemaligen Jugoslawien gegen den kapitalistischen Westen konspiriert. Er ist auch maßgeblich verantwortlich für das Disaster, dass uns fraglos ins Haus steht, da wir den schändlichen Vertrag von Lissabon nicht boykottieren. Außerdem ist er ein umgänglicher Kerl, pfui deibl. Da wird dann von Kickl & Co schon mal ein Sager Fischers aus dem Jahre 1989 ausgegraben, wo dieser in einer laufenden NR-Debatte in Richtung eines FPÖ-Mandatars ein „Sieg Heil!“ ruft. Auch seine Tätigkeit in der Österreichisch-Nordkoreanischen-Freundschaftsgesellschaft muss herhalten. Zudem soll vor Jahrzehnten ein gewisser Bruno Kreisky einmal gemeint haben, „der Heinzi“ sei stets am Klo gewesen, wenn’s schwierig geworden war (für Kreisky gilt in diesem Zusammenhang allerdings die gut begründete Unschuldsvermutung).
Da ist es ja richtiggehend praktisch, dass man bei Rosenkranz nur wenige Monate zurückblicken muss, um mehr als ausreichend Argumente zu finden, wieso diese Frau möglicherweise auf einer der ominösen Ballveranstaltungen mit ihren Freunden aus dem Kreis rechtsextremer Burschenschafter in der Hofburg Einzug finden darf, aber niemals – und sei es nur als Garderobiere – in der Präsidentschaftskanzlei.
Einen hätt‘ ich jetzt beinahe vergessen: Zu diesen beiden Kandidaten gesellt sich ja auch noch der Geheimfavorit aus dem Hause CPÖ, Rudolf Gehring, der sich nur bedingt in das Hickhack der beiden anderen einbringt. Gehring stellt sich in seiner Kampagne als „Bundespräsident für alle“ dar (dass er mit „alle“ genau genommen eher „alle Katholiken“ meint, steht recht unmissverständlich im Kleingedruckten). Er stehe „für ein neues Österreich“, was ich nicht zuletzt deshalb ein wenig sonderbar finde, da er stets davon spricht und schreibt, was nicht alles bewahrt werden müsse – beispielsweise das Kreuz in der Schulklasse. Naja, immerhin möchte er sich für „die Erhaltung der Schöpfung“, also die Natur einsetzen. Das ist doch auch schon was. Sein bescheidenes Wahlkampfbudget beläuft sich immerhin auf kolportierte 100.000 Spenden-Euro. Selbstverständlich ist lt. seiner Homepage nicht das knappe Budget ausschlaggebender Grund für den Verzicht auf Plakate, sondern das Signal, in Zeiten der Finanzkrise kein Geld für so etwas auszugeben. Eh brav.
Aber wozu das Ganze?
Was sich mir noch nicht ganz erschlossen hat, sind die Gründe, wieso man bar jeglicher Erfolgsaussichten zu einer Wahl antritt, wo es lediglich zwei mögliche Ergebnisse gibt: Sieg oder Niederlage. Es geht, anders als etwa bei Wahlen zum Nationalrat, nicht um Machtverteilung, eine bestimmte Anzahl von Mandaten, ein vom Ergebnis abhängiges Ausmaß der Parteienförderung oder ähnliches.
Was soll die mündige Wählerschaft also davon halten, wenn die FPÖ als Wahlziel 17 Prozent oder vielleicht ein bisserl mehr angibt? Immerhin gibt sie lt. Medienberichten rund 1,5 Millionen Euro für die Finanzierung dieses Wahlkampfes aus, der völlig klar in einer Niederlage enden wird und zudem eine Funktionärin bewirbt, die im Anschluss an die Wahl – ebenso wie davor – quasi in der politischen Bedeutungslosigkeit „herumgrundeln“ wird. Selbstverständlich werden reichlich über die Präsidentschaft hinausgehende blaue Themen(?) kommuniziert und auch die – mangels Alternativen – einzige FPÖ-Gallionsfigur HC Strache ist eifrig mit von der Partie, aber rechtfertigt das tatsächlich eine solche Wahlshow? Rechtfertigt das 1,5 Millionen investierte Euro, die schlussendlich – über die Parteienförderung – mitunter von mir getragen werden?
Die Antwort ist nahezu ebenso banal wie traurig: Ja, selbstverständlich ist das Geld aus der Perspektive der FPÖ keineswegs schlecht investiert. Wenn man errechnet, wieviel Budget Strache und Rosenkranz in die Hand nehmen müssten, um ein solches Ausmaß an Medienpräsenz zu erzielen, wie sie ein noch so aussichtsloser Präsidentschaftswahlkampf mit sich bringt, muten 1,5 Mio. sogar vergleichsweise bescheiden an. Insofern kann man den Blauen zwar vorwerfen die Vorwahlzeit mehr oder weniger „illegitim“ für ihre Zwecke zu missbrauchen, aber die Kohle wird immerhin nicht gänzlich sinnlos verbrannt. Schwacher Trost, zugegeben.
Ich wage demnach zu behaupten, dass HC Strache trotz dieser Rosenkranz-Show keinen Cent weniger Budget für seinen Wien-Feldzug aufwenden wird müssen, also steht zu befürchten, dass uns noch deutlich Schlimmeres und Grauslicheres bevorsteht – in diesem Superwahljahr 2010…