Bundespräsidentenwahl 2010 – Ein Résumé
Die „Schlacht um die Hofburg“, die von Anfang an keine war, ist geschlagen. Geschlagen sind auch die beiden Herausforderer Heinz Fischers, Barbara Rosenkranz und Rudolf Gehring, die beide deutlich hinter den eigenen Erwartungen zurückblieben. Heinz Fischer erreichte bei dieser Wahl, die – nicht zuletzt – dank ÖVP einen historischen Tiefstand bei der Wahlbeteiligung mit sich brachte, rund 79 Prozent der abgegebenen gültigen Stimmen und wird auch die nächsten sechs Jahre Staatsoberhaupt Österreichs bleiben.
Das Ergebnis dieses Urnengangs stand fest, bevor noch das erste Wahllokal seine Pforten geöffnet hatte. Genau genommen stand es bereits fest, als Heinz Fischer seine neuerliche Kandidatur via YouTube kundgetan hatte. Dass die ÖVP aus teils ominösen, teils nachvollziehbaren Gründen keinen Gegenkandidaten aufzustellen bereit war, untermauerte die Sicherheit von Fischers Wahlsieg nur noch weiter.
Hinsichtlich Unterstützung gab es weitestgehend recht klare Verhältnisse. Die Sozialdemokraten standen erwartungsgemäß dicht geschlossen hinter „ihrem Heinz“, der bis zu seinem ersten Antreten 2004 die Position des stellvertretenden Parteivorsitzenden der SPÖ bekleidet und für die Roten im Parlament politische Ämter bis hin zum Nationalratspräsidenten ausgeübt hatte. Die Grünen konnten sich mit Fischer ebenfalls sehr gut anfreunden, was dann auch in einer recht klaren Wahlempfehlung mündete.
Die Freiheitlichen unter HC Strache hatten mit der Rechtsauslegerin Barbara Rosenkranz ebenfalls eine eigene Kandidatin im Rennen und taten sich daher mit ihrer „Zuneigung“ recht leicht, wenngleich es zahlreiche Indizien dafür gibt, dass Parteiführer pardon -chef HC Strache nicht uneingeschränkt glücklich mit Rosenkranz‘ Kandidatur gewesen sein dürfte. Strache stand allerdings so hinter „seiner“ Kandidatin, dass er gleich selbst den Wahlkampf anführte, während Rosenkranz selbst alle Hände voll zu tun hatte, unablässlich – und teils mit notarieller Bestätigung – zu betonen, dass sie in Wahrheit gar keine Rechte sei und obendrein mit dem Gedankengut der Nationalsozialisten nicht das Geringste am Hut hätte.
ÖVP – gefangen zwischen nebulös und verantwortungslos
Wahrlich nicht mit Ruhm bekleckert hat sich bei dieser Wahl die staatstragende Regierungspartei ÖVP. Einerseits hat man bereits im Vorfeld des Wahlkampfes angekündigt, keinen eigenen Kandidaten ins Rennen zu schicken, nachdem der offensichtlich einzig denkbare schwarze Mann für den Job, Niederösterreichs Landeshauptmann und Vizekanzleronkel Erwin Pröll, milde lächelnd abgewunken hatte. Als Grund gab man zu Protokoll, dass es bekanntlich noch nie einem Herausforderer des amtierenden Bundespräsidenten gelingen konnte, dessen Amtsbonus zu überwinden und man ohne eigene Kandidatur das viele Geld für den teuren Wahlkampf einsparen wolle.
Grundsätzlich kann ich mich persönlich ganz gut damit anfreunden, wenn eine Partei nicht sinnlos Geld verschleudert, das schlussendlich aus Steuergeldern kommt und deutlich sinnvoller investiert werden kann als in eine Politkampagne ohne jegliche Erfolgsaussichten. Dennoch transportiert diese Entscheidung einige Botschaften, die man leicht übersehen kann:
Erstens gibt eine Partei, die in der Regierung der Republik Österreich sitzt, einige Ministerien führt, den Vizekanzler sowie einige Landeshäuptlinge stellt und insgesamt als eine der führenden politischen Kräfte des Landes zu betrachten ist, klar zu verstehen, dass sie in ihren Reihen keine Frau und keinen Mann anzubieten hat, der dem Amt des Bundespräsidenten gewachsen sei. Behauptet die ÖVP nun das Gegenteil, so muss man ihr – mit Nachdruck – die Frage stellen, wieso sich die aktuell im Nationalrat zweitstärkste Partei im Zuge der Wahl zum so genannten Staatsoberhaupt an Meinungsumfragen und anderen Hinweisen orientiert, die Fischers Wahlerfolg prognostizierten, anstelle die Größe zu haben, einen Kandidaten zu finden, der des Amtes würdig ist und den man dem Wahlvolk als auch als wählbaren Präsidenten anbieten kann.
Die nächste Frage ist, wieso sich die ÖVP, die sich selbst so gerne „moderat rechts der politischen Mitte“ zu positionieren versucht (und erschreckend häufig an diesem Anspruch scheitert), so schwer damit tat, den „g’standenen Demokraten“ Heinz Fischer zu unterstützen, der sich in seiner bisherigen Amtszeit – aus meiner Sicht – weder etwas zu Schulden kommen ließ, noch sonderlich drastisch nach links ausgeschwenkt wäre. Abgesehen von einigen wenigen Themen wie etwa Gleichstellung von homosexuellen Partnerschaften, die ja für die Schwarzen – wie die allermeisten anderen Ansätze zur Gleichstellung aller Menschen – sozusagen ein rotes Tuch darstellen, ist Fischer definitiv ein Mann der Mitte und stets in alle Richtungen offen sowie konsensorientiert.
Die Meldungen reichten von Strassers „Rosenkranz ist genauso unwählbar wie Fischer“ bis hin zu Wortspenden aus Niederösterreichs Parteispitze, die ÖVP-Funktionären und -Wählern nahelegen, eher Rosenkranz als Fischer zu wählen. Dagegen macht sich ÖVP-Klubobmann Karlheinz Kopfs Ansage „Ich werde weiß wählen!“ richtiggehend moderat aus, wenngleich natürlich solche Statements, wenn man sie als ÖVP-Stammwähler oft genug aus den Mündern führender ÖVP-Granden hört, durchaus empfehlenden Charakter erhalten. Dies ist natürlich seitens der ÖVP keineswegs so gemeint und ein solches Bekenntnis des Klubobmanns der Regierungsfraktion ist lediglich und bestenfalls und überhaupt die ganz persönliche Einstellung des Privatmannes Kopf…
Man darf natürlich auch die Frage in den Raum stellen, wieso es der Partei, die mit der Partei des amtierenden Heinz Fischer eine Regierungskoalition hat (Begriffe wie „Zusammenarbeit“ oder „Partnerschaft“ sind ohnehin angesichts der bisherigen Regierungs“zusammen“arbeit völlig deplatziert), so schwer fällt, eben diesen Partner in einer Wahl zu unterstützen, die – natürlich nur streng genau genommen – überhaupt nichts mit Parteipolitik zu tun hat.
Die daraus abzuleitende Frage: Welchen Zweck verfolgt die ÖVP mit dieser Abgrenzung zu einem quasi roten Spitzenfunktionär? Soll hier lediglich „den Sozi“ ein kleiner Denkzettel verpasst werden? Wollte man mit dem „Boykott“ die Position Fischers durch bewusstes Minimieren der Wahlbeteiligung schwächen (was natürlich demokratiepolitischer Unsinn wäre)? Oder wird da gar bereits wieder ein wenig in Richtung Blau geliebäugelt? Wie hätte sich die ÖVP hinsichtlich Empfehlungen verhalten, wenn Strache selbst oder gar ein deutlich gemäßigterer FPÖ-Vertreter anstelle der Rechtsauslegerin Rosenkranz in den Ring gestiegen wäre…?
Angesichts zahlreicher Kommentare aus dem Schwarzen Lager, die Fischer völlig klar als „zu links“ abtaten und Rosenkranz „ein wenig zu rechts“ bezeichneten bin ich da nicht so sicher. Innenministerin Maria „Law & Order“ Fekter meinte gar, Rosenkranz sei für sie aus dem Grund unwählbar, dass sie vor einigen Jahren aus der Kirche austrat und – Himmel hilf! – in weiterer Folge ihre Kinder nicht taufen ließ. Kein Wort von Ablehnung von Rosenkranz‘ Umgang mit dem Verbotsgesetz, der Gaskammern-Relativiererei, ihrer Ansichten hinsichtlich der Gleichstellung der Geschlechter und rege Teilnahme an Veranstaltungen mit dem äußerst rechten Rand unserer Gesellschaft.
Sonderbare Reaktionen
Am Wahlabend gab es dann noch den finalen Akt dieser Posse, die sich Wahlkampf nannte – mit einigen Pointen und Lachern, wie ich sie in dieser Form nicht erwartet hätte.
Dass sich die FPÖ und allen voran HC Strache umgehend in die Opfer-Position stellen würde, war selbstverständlich, dennoch fand ich das Ausmaß des Schmollens einigermaßen originell. Sowohl Strache als auch seine Rosenkranz sprachen gar von einer Hexenjagd. Wenngleich es natürlich nach wie vor ausnehmend trist ist, dass eine Kandidatin der Kategorie „Kellernazi“ ein zweistelliges Ergebnis einfährt, sind 16 Prozent doch immerhin so etwas wie ein kleiner Dämpfer für die Blauen. Die SPÖ gratulierte natürlich herzlich via OTS, originellerweise bereits lang vor den offiziellen Sperrfristen der ARGE Hochrechnung. Die Grünen zeigten sich naturgemäß ebenfalls zufrieden.
Bemerkenswert ist jedoch auch hier der Umgang der ÖVP mit dem Ergebnis (das übrigens – nota bene – gegen jede Sperrfrist bereits am frühen Nachmittag von der JVP veröffentlicht wurde). Keine sonderlich herzlichen Glückwünsche an Fischer oder gar den Regierunsgpartner, dessen Reihen der neue Bundespräsident entstammt und halblustige Seitenhiebe über das mangelnde Mobilisierungspotenzial der SPÖ (das angesichts der Wählerstromanalysen durch Exit Polls ohnehin deutlich relativiert wird). Selbstverständlich kam in keinem Statement ein Bekenntnis, dass die ÖVP mit ihrem schwammigen Getue im Zuge des Wahlkampfes als vermutlich einer der größten ausschlaggebenden Gründe für dieses Rekordtief und des Desinteresse an dieser Wahl nach sich zog. Die ÖVP hat keinen Kandidaten gestellt, sich wochenlang über eine fehlende für sie wählbare Alternative zu den antretenden Kandidaten echauffiert und dann am Wahlabend zusätzlich noch gegen die SPÖ gewettert. Ausnehmend fragwürdig auch der Standpunkt, sämtliche Nicht- und Weißwähler seien als Stimme für die ÖVP zu bewerten. An dieser Stelle: Das Ergebnis von beinahe 80 Prozent als „Misserfolg für Fischer“ zu bezeichnen (Morgenjournal Montag, 26.04.), ist auch recht schmerzhaft, Herr Josef Pröll. Es gäbe tatsächlich einige Möglichkeiten, wie sich die ÖVP Fischers Wahlsieg positiv zu Nutzen machen könnte. So wie es jedoch bis in die Parteispitze hinein gehandhabt wird, kommuniziert man einfach nur Schwäche, Unklarheit – und geradezu kindliches Schmollen.
Liebe ÖVP – für Euer Stammbuch: Das ist billg, das ist peinlich und das ist vor allen Dingen entbehrlich!
Ich selbst gratuliere übrigens herzlich zum Wahlsieg, Herr Bundespräsident! Es ist schon ein Weilchen her, dass ich einen ganzen Wahlsonntag das gute Gefühl genießen konnte, zu den Siegern zu gehören… 😉
2 Antworten
[…] Nachbetrachtungen gibts ua bei Noxvobiscum.at, auf zurpolitik.com (Georg Pichler), Albert Steinhauser, von Dieter Zirnig auf neuwal.com zur […]
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