Strache ist toll!
Ja, richtig gelesen! Ich finde HC Strache großartig! Nein, nicht seine verqueren politischen Ansichten. Auch nicht seine fürchterlichen Hasstiraden gegen alles, was ihm nicht gerade zu Füssen liegt. Schon gar nicht seine penetrante Art und Lügerei. Was ich an Strache so toll finde ist die Art und Weise, wie er sich der Probleme der Menschen anzunehmen scheint(!) und so sein Publikum stets im (Irr-)Glauben lässt, diese Probleme auch lösen zu können.
Es liegt meines Erachtens auf der Hand, dass eine Partei wie die FPÖ keinesfalls Regierungsverantwortung übernehmen kann und soll. HC Strache und seine Kumpanen sind für mich auch in keinem höheren politischen Amt vorstellbar. Kurzum: Mit dieser FPÖ ist kein Staat zu machen (übrigens auch kein Bundesland, wenngleich es in mittelfristiger Zukunft möglicherweise recht eng werden könnte in der Bundeshauptstadt). Dennoch kann man aus Wirken und Auftreten des Herrn Strache auch eine Menge lernen.
Im Unterschied zu seinen politischen Mitbewerbern spricht er die Wähler direkt und ohne Umschweife an. Er spricht ihre Sprache. Er holt sie dort ab, wo sie sind. Er tadelt nicht mit salbungsvollen Worten eine vertragliche paneuropäische Übereinkunft mit Ausweitung der Pouvoirs des Europäischen Parlaments, sondern zieht mit allen gezogenen Registern gegen „die EU, die schuld ist an der Krise“. Er hat erkannt, dass es vollkommen egal ist, ob seine Äusserungen gegenüber einem kleinen intellektuellen Wählerklientel haltbar sind oder gar vor Gericht bestehen können. Es ist völlig gleichgültig, ob ein Beitritt Israels zur EU überhaupt auf der Tagesordnung steht. Sobald er es sagt, ist es für seine Zielgruppe so.
Es ist beispielsweise völlig egal, dass er stets gegen die Osterweiterung der Europäischen Union wettert, sich aber – deutlich weniger laut verkündet – einen Betritt der gesamten Russischen Föderation gut vorstellen kann. Solche Widersprüche sind in Presseaussendungen und Reden Straches immer wieder zu finden. Er kann jeden Tag seine Meinung ändern oder Aussagen des Vortags relativieren. Seine Fans werden ihm dies jedoch nicht zum Vorwurf machen – so sie einen solchen Schwenk überhaupt mitbekommen. Sein extrem scharf gezeichnetes Profil, dass er dem Wähler offenbart, bleibt erstaunlich nachhaltig bestehen.
Was können nun seriöse Politiker von einem Populisten wie Strache lernen, ohne selbst dieses Etikett verpasst zu bekommen? Wie kann man den Österreichern die eigenen Ideen und Visionen nahe bringen, dass diese den Durchschnittsbürger überhaupt erreichen und er diese in weiterer Folge auch versteht? Wie kann man dem Wähler weniger populäre, aber keineswegs weniger wichtige Themen (zB. Klimapolitik, Gender Mainstreaming, Sustainability, Homosexualität, etc.) neben den beim Durchschnittsbürger weit präsenteren Problemen wie Arbeitsmarkt- oder Steuerpolitik nahe bringen? Wie hole ich die Jugendlichen ins Boot?
Auf all diese Fragen eine Antwort zu finden ist das Gebot der Stunde. Die Abgrenzung gegen FPBZÖ ist jedenfalls kein probates oder gar alleiniges Mittel, dem Wähler das eigene Programm beizubringen. Solange Strache & Consorten die Themen vorgeben und alle Anderen lediglich hinterherhecheln, werden Blau und Orange auch weiterhin erfolgreich in den Teichen von Rot, Schwarz und Grün fischen.
Auch keine Antwort, aber plus 160 Ansätze, Überlegungen und Schmunzler dazu: http://www.comicsgegenrechts.at
Persönlich stimme ich dem oben Gesagten völlig zu. Und ich denke, lernen kann man von Strache, den Menschen Hoffnung zu vermitteln und Angst zu nehmen. Denn das tut er, wiewohl er die Angst natürlich zuerst schürt.
Wenn es gelänge den „Angst nehmen“-Teil mit hoffnungsvollen Fakten und unaufgeregten Tatsachen zu verbinden, gäbe es eine Chance. Denn sich Fürchten ist zwar ein Grundreflex, aber niemand fürchtet sich gern
EinE PopulistIn kann sich damit begnügen nur nach angstgetriebenen Schafsherden zu fischen. (Das meine ich nicht abwertend, ich mag Schafe, aber ich halte ihre Überlebensstrategie langfristig für existenzgefährdend und unter dem Strich für unsozial.) Demokraten, also jene die es mit der Demokratie über die bloße repräsentative Demokratie unsers Typs hinaus ernst meinen, müssen ihren WählerInnen nicht nur zutrauen individualistische EinzelgängerInnen zu sein, sondern es genau genommen sogar erwarten. Genau deswegen ist eine von wirtschaftlichen Zwängen freie, kritische und für alle zugängliche Bildung für unsere Gesellschaft so wichtig.
Bei aller Zustimmung hinsichtlich der leider nur lauwarmen Erfolgsstrategien „seriöser Politiker[Innen]“, halte ich das für einen Punkt den man bei diesen Überlegungen nicht vergessen sollte. Aus dieser Perspektive sind nämlich einerseits selbst Straches Erfolge bei der Mobilisierung von WählerInnen keine besonders herausragende oder gar lobenswerte Leistung (das schafft immerhin selbst ein haarsträubend laienhafter Kronenzeitungs-„Journalismus“), andererseits aber auch die Frage nach einer erfolgreichen Gegenstrategie unverhältnismäßig schwieriger zu beantworten.