Das verblassende Strahlen des Börsestars
Die Geschichte der Facebook-Aktie ist eine Geschichte voller Missverständnisse. Sie nimmt Finanzmarktmechanismen und damit einhergehende Schwierigkeiten da auf, wo es weh tut.
Was für ein IPO. Der a(n)visierte Erstausgabepreis von 38 US$ wurde noch frenetisch bejubelt, alle Medien waren voll des Lobs. Abgesehen von einigen wenigen technischen Ungereimtheiten ging eigentlich alles ganz gut und Mark Zuckerberg konnte als frisch gebackener „Multimilliardär“ ruhigen Gewissens und zur Überraschung Vieler seine Langzeitfreundin Priscilla Chan ehelichen. Herrlich!
Doch bald nach dem allgemeinen Freudentaumel kam dann für alle Beteiligten die Ernüchterung: Völlig überraschend kehrte der Ernst des Lebens an die Wall Street zurück. Konsequent wie unnachgiebig. Die Aktie sackte Tag um Tag weiter ab, erreichte zum gestrigen NASDAQ-Handelsschluss den bescheidenen Wert von rund 28 US$ und liegt demnach etwa 25 Prozent unter dem Erstausgabepreis. Am Papier wurden somit quasi auf einen Schlag zig Milliarden US$ Börsewert vernichtet.
Einerseits spiegelt diese Entwicklung wider, was von Begfriffen wie Börsewert, Marktkapitalisierung, etc. zu halten ist – nämlich aus nicht im Finanzmarkt fokussierter Perspektive herzlich wenig. Der Wert einers Unternehmens ist selbstverständlich – wie in jedem anderen Bereich des Lebens – einzig und allein darüber definierbar, was jemand bereit ist zu bezahlen, sollte man verkaufen wollen – und auch nur exakt dann.
Ein beliebtes Beispiel zur Veranschaulichung ist ein neu gebautes Haus, in dessen Umgebung kurz nach Fertigstellung sämtliche Betriebe absiedeln und die Infrastruktur heruntergefahren wird. Sollte der Eigentümer das Objekt nun verkaufen wollen, wird er sehr wahrscheinlich niemanden mehr finden, der es kaufen will. Somit beträgt der Wert des Hauses zu diesem Zeitpunkt ziemlich exakt null – und das völlig unabhängig von den Investitionen in Grund, Bau oder Interieur. Alles, was an Mobiliar nicht leicht aus der weniger spannend gewordenen Umgebung entfernbar ist, wird auch auf mittlere Sicht nicht mehr an Wert gewinnen. Kommen die Unternehmen aufgrund irgendwelcher Umstände zu einem späteren Zeitpunkt wieder zurück und die Region erfährt eine daraus resultierende Aufwertung, werden sich auch wieder potenzielle Käufer einfinden, die bereit sind, das Haus zu kaufen. Der Wert steigt.
Andererseits ist dieses Beispiel im Falle von Facebook natürlich nur bedingt anwendbar, da es zu keinerlei GAU im direkten Umfeld des Unternehmens oder seiner angebotenen Services gekommnen ist. Ganz im Gegenteil; Die Userbasis ist nach wie vor vorhanden und zudem im Steigen begriffen. Die für die Werbewirtschaft relevanten KPIs tendieren ebenfalls nach oben und auch „feste“ Werte wie Facilities, Serverfarmen, laufende Verträge, Patente und dergleichen wurden nicht kurzfristig so viel weniger Wert. Die Sammlung von Userdaten für Ad-Targeting möglichst treffsicherer Werbeauslieferungen hat auch keineswegs gelitten und wird ohne Unterlass perfektioniert.
Die Ursachen für diesen schier unglaublichen Kusrverlust von bald 25% sind also folglich nicht beim Unternehmen Facebook selbst zu suchen. Der Auslöser sind Phantasien der unabhängigen Investoren, geschürt von am IPO teilnehmenden Banken, die aus der schnelllebigen Technologie-Szene ebenso schnelle Gewinnerwartungen ableiten. Ähnliches gab es bereits vor etwa einem Jahrzehnt in der aufstrebenden IT-Branche und auch die vor etwa vier Jahren geplatzte Immobilien-Spekulationsblase sowie die daran anknüpfenden Deals mit hochtoxischen Credit Default Swaps basierte auf ähnlichen Mechanismen.
Cui bono?
Wer sind eigentlich die Profiteure dieser Ereignisse? Auch wenn ich diese Frage ohne tiefergehende Analyse vermutlich ebensowenig beantworten werde können wie alle Anderen, darf – abseits oberflächlicher Conspiracy Theories – getrost angenommen werden, dass es vornehmlich die Market Maker und (Groß-)Banken sind, die bei dieser und vergleichbaren Geschichten wirklich verdienen können.
Einer meiner geschätzten Kollegen hat in diesem Zusammenhang einmal eine sehr nette Allegorie gefunden: Goldman Sachs, JP Morgan & Co verhalten sich zumeist wie im Goldrausch des amerikanischen 19. Jahrhunderts. Sie nehmen allerdings nicht die Position der Goldgräber ein, sondern stellen sich lediglich mit ihren Bauchläden an Orte, an denen gerüchteweise Goldadern vermutet werden und verkaufen dort ihre Spitzhacken, Schaufeln und Karren an die Schürfer. Es ist dabei einigermaßen unerheblich, ob nun tatsächlich Erz vorhanden ist oder nicht (ganz böse Zungen behaupten gar, es wäre den Bankern völlig wurscht), das Werkzeug ist ja in jedem Fall profitabel verkauft.
Fazit
Ich habe in einem vorigen Post schon kundgetan, wie groß meine Probleme sind, irgendjemanden zu bemitleiden, der im Zuge dieses IPOs realisierte Verluste erlitt. Wer sich von solchen Phantasien treiben oder mitreißen lässt, sollte dem Finanzmarkt fernbleiben.
Der bleibende grausliche Beigeschmack gründet jedoch darauf, dass auch Volkswirtschaften, Pensionskassen und andere Institutionen, denen Jeder auf Gedeih und Verderb ausgeliefert ist, bei solchen Marktereignissen – wenn auch über Umwege – involviert sind und bei platzenden Bubbles teils gravierend in Mitleidenschaft gezogen werden. Somit hilft es dem Einzelnen kaum, die Gefahren solcher Entwicklungen zu sehen und zu erkennen. Ein nachhaltiges Gegensteuern wäre schließlich nur denjenigen möglich, die ohnehin zu den Gewinnern zählen.
Trist, eigentlich.