Es gibt (k)ein Facebook-Verbot im ORF-Gesetz
Ein Reizwort gewinnt durch Wiederholung nicht an Wahrheitsgehalt. Dies trifft zur Zeit besonders im Zusammenhang mit einem etwaigen „Facebook-Verbot“ für den ORF zu. Das ORF-Gesetz verbietet in seiner aktuellen Fassung den Aufbau einer Community unter Zuhilfenahme sozialer Netzwerke, aber die grundsätzliche Nutzung von Facebook, Twitter & Co im Rahmen der Sendungen des öffentlich-rechtlichen Bildungsauftrages (tagesaktuelle Online-Berichterstattung, Programmankündigungen, etc.) stehen in keinerlei Konflikt mit dem ORF-G. Schlicht und ergreifend.
Dieser Tage sind die Gerichte in Österreich bis hinauf zum Verfassungsgerichtshof schwer damit beschäftigt, Licht in den Konflikt zwischen dem ORF und seinen privaten Mitbewerbern (vornehmlich VÖZ) zu bringen. Konkret geht es darum, wie das ORF-G in seiner jüngsten Fassung hinsichtlich dessen Aussagen bezüglich der Online-Aktivitäten des ORF zu interpretieren ist. Und sind erst einmal die Gerichte in einer Causa den ORF betreffend beschäftigt, ist die gesamte Medienlandschaft inklusive soziale Netzwerke in höchster Aufruhr. Wie ich bereits schrieb, betrachte ich die Causa – zumindest privat – aus einer einigermaßen nüchternen bis neutralen Perspektive, aber meine Gedanken dazu mache ich mir sehr wohl.
Gleich an erster Stelle muss gesagt werden, dass gem. BGBl. I Nr. 50/2010 im Artikel 5 „Änderung des ORF-Gesetzes“ vergleichsweise klare Fakten geschaffen wurden. So finden sich in den §§ 4e und 4f Aussagen über den Betrieb von Online-Diensten. Hier steht zwar keineswegs, dass dem ORF die Nutzung sozialer Netzwerke verboten sei, es wird allerdings recht klar festgehalten, wie die Nutzung ausgestaltet sein darf.
Der § 4f. mit der Überschrift „Bereitstellung weiterer Online-Angebote“ schließt im Absatz (2) eine Vielzahl von Angeboten aus, darunter unter Punkt 25 im Wortlaut: „soziale Netzwerke sowie Verlinkungen zu und sonstige Kooperationen mit diesen, ausgenommen im Zusammenhang mit der eigenen tagesaktuellen Online-Überblicksberichterstattung“.
Der Aufbau von Facebook-Communities ist demnach ein klarer Verstoß gegen diesen Punkt. Nicht mehr und nicht weniger. Man kann dies mit großer Leidenschaft anprangern oder wohlwollend tolerieren, das mag im Auge des Betrachters liegen, aber es ist, was es ist: Ein Verstoß gegen eine geltende Rechtsvorschrift. Ob diese nachvollziehbar, „richtig“, sinnvoll oder für irgendjemanden hilfreich ist, kann diskutiert werden. Das ORF-G kann zudem auch – wie jedes andere Gesetz – überarbeitet und geändert werden (was ja zur Zeit auf Legislativebene auf der Agenda ist), aber so lange es keine Novellierung gibt, hat sich der ORF daran zu halten.
Arzt oder Apotheker
Das derzeitige Verhalten des ORF ist vergleichbar mit dem eines niedergelassenen Allgemeinmediziners, der sich neben seiner Praxis eine Apotheke einrichtet, obwohl er bereits im Vorfeld Kenntnis von der Rechtslage hatte, die ihm eine solche Vorgehensweise eindeutig verbietet. Auch in diesem Fall könnte gerne argumentiert werden, dass es ja niemanden störe, er seinen Patienten einen Vorteil böte, die nächstgelegene Apotheke ohnehin erst zwei Ortschaften weiter angesiedelt wäre und er ja sogar positiv zur medizinischen Versorgung der Gemeinde beitrüge, aber unter’m Strich ist und bleibt es zweifelsohne ein Gesetzesbruch.
Im Falle des ORF sollte zudem darauf hingewiesen werden, dass die Änderung des ORF-G im Jahre 2010 nicht von irgendwelchen Gremien im Hinterzimmer beschlossen wurden. Tatsächlich hat der ORF diese Änderung nicht nur mitgetragen, sondern sogar aktiv mitgestaltet. Konkret ging es darum, dass der ORF seine Werbezeiten ausdehnen wollte und im Gegenzug – quasi von sich aus – auf Intensivierung seiner Online-Aktivitäten verzichtet hatte. Viele Beobachter sprachen damals von einem regelrechten Kuhhandel zwischen VÖZ und ORF-Geschäftsführung, manifest wurde dieser Kompromiss zwischen Privaten und ORF bekanntlich unter anderem durch den Verkauf der Futurezone an den Kurier.
Es mutet somit eigenartig an, dass der ORF erst ein Gesetz mitträgt, das ihm einen Vorteil (ausgedehnte Werbemöglichkeiten in TV und Hörfunk) verschafft, die daraus resultierenden Nachteile (eingeschränkte Online-Aktivitäten) jedoch nicht sonderlich intensiv zur Kenntnis nehmen zu wollen scheint. Vermutlich muss jedoch andererseits auf entscheidender Ebene abgeklärt werden, inwieweit die inkriminierten 39 Facebook-Pages bzw. welche davon in welcher Hinsicht gegen das ORF-G verstoßen…
Alles halb so wild?
Ich selbst bin nach wie vor der festen Überzeugung, dass die Facebook-Pages und Twitter-Accounts des ORF nicht in dem Ausmaß zu Wettbewerbsverzerrungen führen, wie es die Mitbewerber gerne postulieren, aber ich muss auch eingestehen, dass ich auf diesem Gebiet keineswegs Expertenstatus besitze.
Diese nahezu demutsvolle Einsicht würde ich mir halt bei zahlreichen anderen Teilnehmern der Diskussion zu dem Thema ebenfalls wünschen…