Wahlkrampf
Wahlkampf ist Werbung. Ehrlichkeit hat in der Werbung in aller Regel nichts verloren. So weit, so gut. Dennoch bin ich wirklich froh, wenn dieser Unsinn in wenigen Tagen vorbei ist und wir uns nicht nur wieder wichtigeren Dingen zuwenden können, sondern wir auch nicht mehr laufend für dumm verkauft werden.
Die Abgründe politischer Arbeit zeigen sich in Zeiten vor größeren Urnengängen. Das ganze Land wird mit fachlich perfekt durchinszenierten Werbekampagnen überzogen. Man kann den Blick in belebteren Landstrichen gar nicht an all den Plakaten vorbeischleusen, von denen uns mittels Photoshop drastisch überzeichnete Politikergrinser entgegenstrahlen. Garniert wird das ganze mit Phrasen oder auch zusammenhangslos hingeschütteten Keywords, die dem Intellekt eines halbwegs mündigen Bürgers teils massive Schmerzen zufügen.
Inhaltsleer
Die SPÖ schreibt neben das Konterfei des Spitzenkandidaten Werner Faymann nur noch Schlagworte wie „Arbeit“ oder „Pensionen“. Hier wird bereits klar, wieviel – oder genauer: wie wenig – man der eigenen Klientel kognitiv zutraut. Die ÖVP, die traditionell für Bestandswahrung in nahezu jeder Hinsicht steht, plakatiert „Österreich gehört den Entdeckern“, während sie in ausgesprochen beschämender Manier den Rot-Grün-Teufel an die Wand malt. Die FPÖ, die von Nächstenliebe im ureigensten Sinne des Begriffes nicht weiter entfernt sein könnte, schreibt sich eben diese auf die Fahnen und setzt zudem auf nackte Tatsachen des Parteichefs.
Immerhin: Das Ausländer- bzw. Migrationsthema, das in den vergangenen Jahren für einige blaue Prozentpunkte verantwortlich zu machen ist, konnte in diesem Jahr kaum abheben. Die großen Skandale und dummdreisten Reimsprücherln blieben ebenfalls aus.
Die Grünen nutzen die Gunst der Stunde der scheinbar nicht enden wollend aufkommenden Korruptionsskandale der größeren Mitbewerber, um ihre Kernbotschaft, nämlich nicht so korrupt zu sein wie alle anderen, zu posaunen. Der bemerkenswert senile Kanadier Stronach buttert zwar adimensional viel Geld in seine Werbung, hat aber mangels konkreter Botschaft auch nichts Griffiges für Plakate, daher kommt da überhaupt nur noch „Jetzt. Frank.“ – und erstaunlicherweise ebenfalls nackte Haut. Nota bene: Das namensgebende „Team“ hinter dem Patriarchen musste sich notgedrungen eher in Distanzierung, als in Profilierung üben. Dem BZÖ sieht man das mangelnde Wahlkampfbudget auffällig gut an, was sich in beinahe erträglich wenigen Bucher-Plakaten/-Aufstellern wiederspiegelt.
Die verbleibenden wahlwerbenden Parteien fliegen ohnehin unterhalb Radars und agieren – angenehmerweise – weitestgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Von den Piraten ist sowieso nichts zu hören (trotz perfekt terminisierter Datenschutz-Steilauflage). Die Neos haben in ihrer überschaubaren Klientel zwar durchaus eine angemessene Aufmerksamkeit, aber das war’s auch schon. Um über diese vergleichsweise scharf abgegrenzte Gruppe Privilegierter hinaus zu kommen, half auch Haselsteiners Einstieg wenig.
Bewegtbild ohne Bewegung
Sollte man dann versehentlich den Fernseher oder einen TV-Webstream zur falschen Zeit einschalten, erleidet man auch noch eine dieser unsäglichen „Konfrontationen“, in denen sich wahlwerbende Politiker aus der ersten oder manchmal auch zweiten Reihe hinsetzen, um einstudierte Messages zu verteilen, die im Grunde niemand mehr hören kann und will. Neuerdings wird das ganze noch untermalt mit inszenierten Begeisterungsstürmen von Claqueuren. Analog zu Sitcoms, in denen man den Zusehern mit eingespielten Lachsalven andeutet, dass da gerade scheinbar irgendwas Lustiges stattgefunden haben dürfte, wird nun auch in politischen Diskussionen signalisiert, dass gerade ein Satz gefallen sein sollte, der in irgendeiner Form bemerkenswert sein könnte. Hierfür reichen allerdings bereits so epochale Erkenntnisse eines Diskutanten, wie beispielsweise die, dass Bildung eh ein einigermaßen wichtiges Thema sei.
Zudem stehen die Parteien bzw. deren Protagosnisten vor dem Dilemma, nicht jedem Gesprächspartner mit der selben Aggression gegenüberstehen zu können. Rot und Schwarz etwa müssen zwar den jeweils eigenen Kanzleranspruch in den Vordergrund stellen, dazu Abgrenzungen zum Gegenüber herstellen, diese aber nicht in dem Lichte darstellen, als wäre in den vergangenen fünf Jahren gemeinsamer Regierungsarbeit nichts weitergegangen. Nicht gerade optimale Voraussetzungen für produktive Diskussionen. Eine Eva Glawischnig kann einem HC Strache durchaus die Leviten lesen oder den Herrn Stronach vorführen, aber Faymann oder Spindelegger sollten zumindest soweit ungeschoren davonkommen, dass eine etwaige Zusammenarbeit halbwegs glaubwürdig möglich bleibt. Keine leichte Aufgabe für die Spitzenkandidaten – und schon gar nicht für mitdenkende Zuseher.
Eine rühmliche Ausnahmeerscheinung stellte lediglich die „Wahlfahrt“ mit Hanno Settele dar, die immerhin in Einzelfällen ein wenig hinter die spindoktorgesteuerte Phrasendrescherei zu blicken vermochte. Im Studio wäre etwa der Todesstrafen-Sager des Herrn Stronach vermutlich nicht passiert. Und bis auf HC Strache waren auch sämtliche Fahrgäste einigermaßen „authentisch“, soweit man das von Politikern im Wahlkampf überhaupt behaupten kann.
Fazit
Hoffen wir gemeinsam, dass die Wahl ein brauchbares Ergebnis bringt, dass eine einigermaßen stabile Regierungskoalition ermöglicht. Nicht, weil ich mir von den lt. Umfragen zur Frage stehenden Farbspielchen sonderlich große Sprünge erwartete, sondern weil vorgezogene Neuwahlen erst wieder einen Wahlkrampf erzeugten, auf den ich ausnehmend gut verzichten kann…
Eine Antwort
[…] Es handelt sich schließlich um Werbung und keine rationale Sachverhaltsdarstellungen (siehe auch hier), dennoch sollte man als Wähler davon ausgehen dürfen, dass Informationen dieser Tragweite in […]