Ja zur Kandidatur von Barbara Rosenkranz!
Man möge mich geteert und gefedert und aus der Stadt jagen, aber ich bin zunehmend genervt über das große Entsetzen hinsichtlich der Rosenkranzschen Präsidentschaftskandidatur. Ich werde sie – und ihresgleichen – niemals wählen und sehr wahrscheinlich in den kommenden Wochen – ebenso wie bisher – auch keine sonderlich wohlwollenden Worte über sie verlieren. Aber ihr – beruhigenderweise völlig aussichtsloses – Antreten als Kandidatin zur Bundespräsidentenwahl ist absolut rechtens!
„Eine Schande für Österreich“. „Rechtsruck wird stärker“. „Erobern Rechtsextreme Hofburg?“. Selten so viel Engstirnigkeit gelesen. Dazu noch reichlich Invites zu irgendeiner der unzähligen Facebook-Gruppen gegen diese Kandidatur.
Nein, ich mag Barbara Rosenkranz nicht und niemand, der ihr politisch wie privat nahesteht, wird meine Sympathie genießen. Ich persönlich betrachte ihre Denkweise und ihr bis dato angenehmerweise eher auswirkungsarmes politisches Wirken in vielerlei Hinsicht für hinterwäldlerisch, antiquiert, asozial und verabscheuenswürdig. Und das sind noch die netten Dinge, die mir so auf die Schnelle dazu einfielen. Selbiges gilt sinngemäß auch für Ihren Herrn Göttergatten, selbstverständlich ihren Parteichef und viele Andere. Diese Dinge werden mein Wahlverhalten am 25.04. dahingehend beeinflussen, dass ich in der Wahlzelle mein Kreuzerl ganz sicher nicht neben dem Namen der „Mutter der Nation“ (lt. Rainer Nikowitz/profil die „Stalinorgel der rassenreinen Geburtenstatistik“) hinkritzeln werde.
Dieses persönliche Empfinden teile ich – aus derzeitiger Sicht – mit einem recht erquicklichen Anteil der Wähler, die sich bekanntlich in Umfragen lediglich zu rund 20 Prozent zu einer Stimme pro Rosenkranz‘ bekennen. Der Rest tendiert zu Heinz Fischer, einer potenziellen weiteren antretenden KandidatIn, wird ungültig wählen, gar nicht wählen oder hat seine Entscheidung noch nicht getroffen. Daraus folgt für mich, dass rund drei Viertel der Österreicher keine Fans von Frau Rosenkranz sind. Soweit zum voraussichtlichen Wahlverhalten und der daraus zu schließenden Wahrscheinlichkeit eines Sieges der rechtsextremen Kandidatin.
Dennoch steht außer Frage, dass sie zu dieser Wahl antreten darf! Ich kann mich nicht erinnern, dass sich Frau Rosenkranz bisher – außer der nicht unter Strafdrohung stehenden grenzenlosen Verbohrtheit und der ebenso legalen Dummdreistigkeit – irgendeiner Straftat schuldig gemacht hätte oder aufgrund einer solchen rechtsgültig verurteilt worden wäre. Sie wird zwar vom Wiener Rechtsanwalt Georg „Ad Fegan für Arme“ Zanger gerade aufgrund des Rosenkranzschen Begehrs, das Verbotsgesetz außer Kraft zu setzen, wegen Verstoßes gegen ebendieses geklagt, dies hat aber aus meiner Sicht nur sehr bedingt Erfolgsaussicht und ist eher unter PR-Aktion einzustufen – wenngleich ich nicht ganz ungespannt auf die weiteren Entwicklungen in dieser Angelegenheit blicke (von der Disziplinaranzeige gg. Zanger bis zur Verleumdungsklage wird die FPÖ wohl nichts auslassen).
Kandidieren darf (fast) Jede/r
Jeder Österreicher, der die Formalkriterien (zum Stichtag der Wahl 35 Jahre alt und wahlberechtigt zum Nationalrat, that’s it!) erfüllt, 3.600 Euro ablegt, die benötigten 6.000 Unterstützungserklärungen bis zum Stichtag 1. April 2010 bei der Bundeswahlbehörde im Innenministerium abgibt tritt unweigerlich zur Wahl an. Naja, mit Nachnamen Habsburg hat man es derzeit noch ein wenig schwer, aber das wird auch noch anders. (Nota bene: Von „Unbescholtenheit“, „einwandfreiem Leumund“ oder gar „Mindestmaß an intellektueller Kapazität“ findet sich keine Spur im Bundespräsidentenwahlgesetz 1971!)
Dies ermöglicht es Barbara Rosenkranz, Kandidatin zum höchsten Amt im Staate Österreichs zu werden. Und natürlich Heinz Fischer. Und Janine Schiller. Und dem Windischgarstner Pfarrer Gerhard Maria „Homosexualität ist heilbar“ Wagner. Und dem BZÖ-Pausenclown Thomas Dolina. Und dem türkischstämmigen österreichischen Staatsbürger, der an der U-Bahnstation Kebap verkauft. Und dem Kellner Helmut im Häuserl am Stoan, der stets so herrlich herumgrantelt. Und Neo-Top-Blogger Andreas Unterberger. Ich höchstselbst bin ja leider ein gutes halbes Jahr zu jung…
Zugegebenermaßen täten sich in meiner obigen Liste ein paar vergleichsweise schwer damit, 6.000 Unterstützungserklärungen zu sammeln – mich natürlich eingeschlossen (wenngleich ich mir ohnehin eine Reihe sinnvollerer Dinge vorstellen kann, wie man 3.600 Euro verschleudert). Aber ein – in meinen Augen – völlig durchgeknallter notgeiler Baumeister mit notorischem Hang zur Selbstdarstellung beispielsweise hat es in der jüngeren Vergangenheit (1998) schon geschafft, trat tatsächlich als Kandidat zur Bundespräsidentschaftswahl an – und erzielte auf Anhieb fast 10 Prozent der Wählerstimmen. Originelles Detail am Rande: Der Abstand zur damaligen Kandidatin des erst wenige Jahre davor von der FPÖ abgespaltenen LIF, Heide Schmidt mit ihren 11,14 Prozent betrug lediglich zarte 1,23 Prozentpunkte.
Fazit
Die Berechtigung zum Antritt als KandidatIn zur Präsidentschaftswahl ist also – zumindest in der Theorie – von einer Vielzahl an Österreichern leist- bzw. erfüllbar. So auch von Barbara Rosenkranz. Dass die anderen Parlamentsparteien ÖVP, Grüne und BZÖ ihrerseits keinen Kandidaten stellen, kann man unter diesem Gesichtspunkt übrigens getrost betrachten wie man gerne möchte, wenngleich ich das von vielen herbeizitierte bevorstehende „Ende der Demokratie“ nicht darin zu erkennen vermag.
Was ist also am Antreten(!) der Frau Rosenkranz so falsch? Wieso wollen ihr so Viele eines der elementaren Privilegien eines jeden Staatsbürgers, das (passive) Wahlrecht, absprechen? Wählt sie doch bitteschön einfach nicht! Sie ist aus meiner Sicht keines bedeutenderen Amtes würdig und es wäre tatsächlich mehr als nur eine Schande, würde Frau Rosenkranz aus irgendeinem katastrophalen Grund siegreich aus diesem Urnengang hervorgehen. Aber es geht lediglich um die Kandidatur!
Viel schwerwiegender ist: Je größer der Wirbel, desto größer der Profit, den Straches FPÖ zweifelsohne aus dieser Polit-Show ziehen wird. Sollte nicht irgendein Wunder geschehen, dass das Rosenkranzsche Antreten zur Wahl signifikant zum Schlechteren wendet (etwa eine Entgleisung, die nicht wie ihre unzähligen bisherigen haarscharf am Verbotsgesetz bzw. den Verhetzungsparagraphen vorbeischrammt, sondern trifft), ist jede Zeitungs-Headline, jede ZiB-Nennung oder gar jede Demo lediglich weitere großkalibrige Munition in den populistischen Dreckschleudern des HC-Man. Die bevorstehende erste FPÖ-„Niederlage“ seit Langem (abgesehen von den in der öffentlichen Wahrnehmung eher zweitrangigen WK-Wahlen) wird Strache in gewohnter NLP-Perfektion als Triumph zu feiern – und als solchen zu präsentieren – wissen. Und schuld am zweiten Platz hinter Fischer wird natürlich die böse Medienlanschaft (abgesehen vom Rosenkranz- und FPÖ-Fanclub rund um Krone-Chef Hans Dichand) sein, die seine vor Friedliebigkeit, Menschenfreundlichkeit und romantischer Heimatliebe schimmernde Partei immer nur so garstig mit Schmutz bewirft…
Meine Wahlempfehlung aus heutiger Sicht
Mein Wunsch ist, dass die FPÖ mit dieser Kandidatur so baden geht, dass es – gerade in diesem Wahljahr mit seinen vielen wichtigen Urnengängen – schmerzt. Meine persönliche Wahlempfehlung lautet daher (drei Wochen vor Ende der Einreichfrist für Wahlvorschläge) eindeutig: Zur Wahl gehen und nicht aus „Mangel an Alternativen“ weiß, sondern bewusst den amtierenden UHBP Heinz Fischer wählen. Nicht, weil er seinen Job so großartig erfüllt. Auch nicht, weil er als Roter links der Mitte steht. Schon gar nicht, weil ich ihn sonderlich sympathisch finde. Eine Wahl Heinz Fischers ist in diesem Fall nicht nur ein Statement pro Sozialdemokratie oder eine Entscheidung aus Parteiraison. Sie ist vor allen Dingen ein klares NEIN an den rechten (äußeren) Rand dieses Landes und im Speziellen an die Strache-FPÖ.
Und wer weiß: Vielleicht haben wir ja sogar Glück und es gelingt, die Vertreter des Rechten Randes des heimischen politischen Spektrums – natürlich im übertragenen Sinn! – einmal so richtig schön mit sauberen demokratischen Mitteln „abzuwatschen“…
Eine äußerst interessante, wenngleich zum Teil sehr tendenzielle und mitunter gar etwas beleidigende Darstellung des Themas. Selbstverständlich spricht nichts gegen eine Kandidatur, sie ist rechtens. Unterstützung wird sie aber hoffentlich wenig finden, sondern die Veernunft eines Großteils der Wählerschaft darf erwartet werden.
Beffremdlich allerdings, dass eine sonst bemüht liberale Berichhterstattung diesmal zu einem recht klaren politischen Statement verkommt und wesentliche Tatsachen offensichtlich bewusst ausklammmert: Ein weiterer Kandidat, der sich der Wahl stelllen möchte und seine Kandidatur angekündigt hat, entstammt dem Haus Habsburg-Lothringen, ist ein bekennender Demokrat und wird wohl nicht zugelassen werden. Das zu bekämpfen, dass Sippenhaftung in der „Gutmenschen-Welt“ der linken und liberalen Szene in Österreich gegen rechts und konservativ durchaus salonfähig ist, obwohl doch gerade diese hier akzeptierte und angewandte Sippenhaft aus einem politisch konträren Lager kommt.
Ein weiterer Kandidat, Dr. Gehring, der es wagt, zu seinem Glauben und seinen Werten zu stehen, der das Leben von Beginn an bejaht, der sich nicht in politischen Floskeln verirrt, sondern Stelllung bezieht, der … findet hier in keinster Weise Erwähnung. Eine wohl durchaus interessante Alternative für all jene Wählerinnen und Wähler, denen Glaube, Tradition, Leben, Achtung etc. vertraute Werte sind. – Jedenfalls ganz sicher eine Alternative zum amtierenden Präsidenten, der in einem Land mit christlichen Wurzeln keiner christlichen Kirche angehört, sich deren Werten verschließt und sich selbst als Agnostiker bezeichnet, der aber aus politischen Kalkül einem Pilger aus Rom den Hof macht, sich anbiedert, um sich auch Wählerinnen-/Wählerstimmen aus dem christlich-katholischen Bouvoir zu sichern.
Daher eine alternative Wahlempfehlung: Jeder möge nach seinem Gewissen seine Entscheidung treffen und keiner Wahlempfehlung Folge leisten. Jegliche Wahlempfehlung betrachte ich als verzichhtbar und echtem Demokratieverständnis nicht entsprechend. Die Kandidatinnen und Kandidaten mögen sich selbst empfehlen!
„Nein zur Kandidatur von Barbara Rosenkranz!“
Am 29. August 1945 hat Renner, in einer Kabinettsratssitzung folgendes gesagt:
„Ich finde, dass wir in Bezug auf die Behandlung des Naziproblems in eine kritische Situation kommen. Ich will nicht behaupten, dass ich damit recht habe, aber die Sache ist nach meinem Gefühl doch so, dass all diese kleinen Beamten, diese kleinen Bürger und Geschäftsleute bei dem seinerzeitigen Anschluss an die Nazis gar nicht weittragende Absichten gehabt haben – höchstens dass man den Juden etwas tut …“
Barbara Rosenkranz ist einmal mehr ein politisches Beispiel dafür, dass verbale oder tatsächliche Angriffe gegen „Fremdes“ und „Fremde“ ein Kavaliersdelikt wird. Unter dem Deckmantel der freien Meinungsäußerung, werden wieder Ansichten (absurd, skurril und verwerflich, um ihre Worte zu verwenden) salonfähig, die zwar (noch) nicht mehrheitsfähig sind die Energie der Menschen in Österreich aber deutlich in die falsche Richtung instrumentalisieren.
Die österreichische Demokratie ist eine der Supermächte und der politischen Eliten (Anton Pelinka: „Die politischen Eliten sind humanitärer, toleranter als die von ihnen demokratisch Vertretenen“ – Zur österreichischen Identität) und damit keine an der Basis verankerte. Erst recht, wenn man sich die aktuellen Leserbriefe der Kronen Zeitung zum Thema ansieht.
Sie ist eine jener Proponentinnen die mit den Zweifeln an der „österreichischen Identität“ spielt
um politischen Nutzen daraus zu ziehen und bedient sich dabei einer latenten Grundhaltung in der Bevölkerung in derem Fahrwasser bald nicht nur mehr anders gedacht werden darf!
Es gibt aber einen Unterschied zwischen legal und legitim: Dass Frau Rosenkranz das Recht hat, anzutreten, versteht sich hoffentlich von selbst. Sie tritt übrigens nicht als einfache Staatsbürgerin an, die sich ihre Unterstützungserklärungen gesammelt hat, sondern als eine von einer Partei nominierte Kandidatin – auch das natürlich völlig rechtmäßig. Niemand bestreitet, dass die FPÖ jede Person nominieren DARF, die bisher klug genug war, die Grenzen des Verbotsgesetz auszuloten ohne sie zu überschreiten.
Die Frage lautet aber: Ist es irgendwie zu rechtfertigen, ist es also legitim, dass eine österreichische Parlamentspartei Personen mit diesem Gedankengut für höchste Ämter im Staate vorschlägt? Nein, das ist es nicht. Martin Graf wurde mit den Stimmen von SP und VP (und einer Wahlempfehlung von Josef Pröll) zum Parlamentspräsidenten gewählt: Das war völlig legal, aber nicht legitim. Und natürlich darf man sich darüber ärgern, denn nicht alles, was gesetzlich erlaubt ist, muss man politisch mit Achselzucken hinnehmen. Schau nach Kärnten. Oder auf Grasser, Hochegger und Partner. Oder in die Krone.
Rosenkranz wird die Wahl wohl nicht gewinnen, man kann also kühlen Kopf bewahren und in den nächsten Wochen beobachten, wer sich in diesem Umfeld wie verhält. Es wird spannend.
(Übrigens können sich KandidatInnen noch bis Ende März bewerben. Wer weiß, ob durch Rosenkranz‘ Antreten nicht noch jemand motiviert wird, doch auch in den Ring zu steigen… Ich warte noch mit meiner öffentlichen Festlegung, wen ich wähle.)