40 Milliarden gute Gründe
Das Entsetzen im Hohen Haus und der Medienlandschaft ist groß: Es gibt ein Loch im Budget bis 2018, das – je nach Quelle bzw. Schätzung – rund 30 bis 40 Milliarden Euro betragen wird. Waren SPÖVP noch vor wenigen Wochen (also vor der Nationalratswahl) guter Dinge, einen ausgeglichenen Haushalt angehen zu können, dienen die überraschend doch fehlenden Milliarden heute nicht zuletzt als Grundlage für neuerliches Säbelrasseln in den Koalitionsverhandlungen.
Stimmt schon. Die 40 Milliarden „zusätzlichen“ Finanzierungsbedarfs sind keine Überraschung. Weder für die handelnden Politiker, noch für halbwegs mündige Bürger. Die makroökonomischen Veränderungen, höherer Aufwand für Bankenrettungen (Stichwort Hypo Alpe Adria) und viele Gründe mehr ließen bereits Monate vor der Nationalratswahl unüberhörbar die Alarmglocken dahingehend schrillen, dass die Prognosen, von denen ausgegangen wurde, nicht haltbar sind.Dennoch ist es eine Ungeheuerlichkeit, wie sehr die wahlwerbenden Parteien – allen voran die alten und voraussichtlich auch neuen Regierunsgparteien – all diese vergleichsweise düsteren Prognosen bis wenige Wochen nach dem Urnengang verschwiegen und verharmlosten. Viele sprechen von betrügerischer Absicht und WäherlInnentäuschung. Dieser Vorwurf ist nicht von der Hand zu weisen.
Es ist ja in der Regel keine „Tragödie“, wenn im Wahlkampf die Wahrheit sanft gebeugt wird, um Spitzenkandidaten und deren erbrachte – oder geplante – Leistungen in ein halbwegs attraktives Licht zu rücken. Es handelt sich schließlich um Werbung und keine rationale Sachverhaltsdarstellungen (siehe auch hier), dennoch sollte man als Wähler davon ausgehen dürfen, dass Informationen dieser Tragweite in irgendeiner Form bekannt gemacht werden. Übertriebene Schönrederei, völlige Intransparenz und offene Lüge ist der WählerInnenschaft längst nicht mehr zuzumuten.
Spätestens hier sollte der Schwarze Peter übrigens auch an Journalisten und Medien weitergereicht werden, deren Aufgabe als viel zitierte „Vierte Gewalt“ darin läge, den anderen dreien penibel und mit einigermaßen ungetrübtem Blick auf die Finger zu schauen und an die Öffentlichkeit zu tragen, was diese – speziell Legislative und Exekutive – so hinter verschlossenen Türen treiben. Dieser Aufgabe gewissenhaft nachzukommen ist schließlich keine Kür, sondern Pflicht. Die öffentliche Hand zahlt schließlich auch nicht gerade wenig für diese Leistung.
Ja, und was jetzt…?
Selbstverständlich versprechen aber Neuwahlen keinen sicheren Ausweg aus dieser Misere, zumal davon auszugehen ist, dass sich an der grundlegenden Situation nicht viel schrauben lässt:
- Die „Hoffnung“, Rot/Schwarz ginge sich nicht mehr aus, ist mit Vorsicht zu genießen.
- Sicherlich könnte als Kollateraleffekt auch das Team Stronach wieder aus dem Nationalrat fliegen, aber das ist einerseits keineswegs sicher und birgt andererseits die Gefahr, dass die von FPÖ abgewanderten Protestwähler wieder reumütig in den blauen (oder gar orangen) Schoss zurückkehren.
- Sollte Schwarz/Blau (oder gar umgekehrt!) in noch greifbarere Nähe rücken, dann stehen uns ähnliche Verhältnisse bevor, wie sie bereits 2000 bis 2007 vorherrschten. Auch keine sonderlich erfreulichen Aussichten.
- Grün und Pink könnten profitieren, aber vermutlich zu wenig, um die dann zur Verfügung stehenden Rot/Schwarz/Blau-Kombinationsmöglichkeiten zu verhindern.
Es gibt tatsächlich rund 40 Milliarden gute Gründe, die Regierungsparteien mit allen zur Verfügung stehenden demokratischen Mitteln „abzuwatschen“, aber es gilt halt leider auch:
„Be careful what you wish, you might get it!“